Das aktuelle Gedicht

 

 

Es ist nicht üblich, seine eigenen Gedichte zu kommentieren, andererseits tragen Anmerkungen zu Entstehung, Thema, Machart usw. zum besseren Verständnis des Textes bei, werden vom Leser dankbar angenommen und verringern die Distanz und Scheu zwischen Leser und Autor. Es geht ja keineswegs  um eine Gedicht-interpretation, die wegen der Authentizität des Verfassers die Aussage des Textes festlegen würde; es geht vielmehr um eine Einführung in das Thema und seine Umsetzung, die neugierig machen und zum Lesen des Gedichtes anregen soll.



 

Graf Alessandro di Cagliostro (1743 – 1795)

   

»Graf Cagliostro« (alias Giuseppe Balsamo, Sohn eines Handwerkers aus Palermo) war im 18. Jahrhundert ein bekannter Spiritist, Freimaurer, Kabbalist und Abenteurer bzw. Hochstapler. Er ist bis heute der Inbegriff für Betrug und Fälschung, ein Mythos, über den zahllose Bücher geschrieben und viele Filme gedreht  wurden.

 

Das folgende Gedicht entstand nach der Lektüre des Buches:


Magier, Fälscher, Abenteurer

von Thomas Freller  (Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 2006),


in dem neben dem sogenannten Grafen von Saint-Germain, dem Abate Vella (einem Fälscher) auch das Leben des vermeintlichen Grafen Alessandro di Cagliostro beschrieben  wird. Die angeführten Zitate sind diesem Buch entnommen.

 

Wer glaubt, nur schlichte Gemüter fallen auf die Tricks der Hochstapler und Betrüger herein oder meint, sie wären mit dem 18. Jahrhundert ausgestorben, der irrt. Ein Blick in die heutigen Medien und ins Internet beweist das Gegenteil. Sie haben lediglich ihre Methoden den Gegebenheiten der Zeit angepasst und entsprechend verändert. Die Mechanismen sind die gleichen und die Disposition und Anfälligkeit für Hochstapelei, Scharlatanerie und Betrug bzw. Spiritismus, Esoterik und das Irrationale ebenfalls . An ihrer Existenz, Popularisierung und Kommerzialisierung  wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Sie haben ihre Nischen trotz verschärfter Gesetzgebung und  moderner Wissenschaft im täglichen Leben gefunden. Wir haben zwar aufgehört, den „Stein der Weisen“ zu suchen, aber nicht damit zu glauben, „... dass ein psychisches Prinzip ohne mechanische und materielle Hilfe direkt auf physische Körper [und evtl. auf deren Psyche] wirken könne ...“ Auf dieser „Grundlage“ werden weiterhin nicht nur Kranke und Ratsuchende die vermeintlichen Wunderheiler und Wahrsager, denen man magische Kräfte (Energieübertragungen) zuschreibt, aufsuchen, um ihre Probleme gelöst zu bekommen. „Durchdringende Blicke, Berührung, Handauflegen, Atemeinhauchen, geheime Formeln, kurz der direkte psychische Kontakt mit dem Kranken sind die Geheimnisse des Erfolgs. Unzweifelhaft haben diese Methoden eine Wirkung auf psychosomatisch verursachte Krankheiten.“  Während die Wirkung verordneter Salben, Pillen, Elixiere, Heilwasser usw. wohl eher auf Placebo-Effekte zurückgehen. „Letzlich sind [aber] alle Heilsbringer auf die Gläubigkeit ihres Publikums angewiesen.“

 

Das Gedicht ist kürzlich in der Lyrikzeitschrift "Gedichtekarussell" , Heft 7 (Illusionen und Wirklichkeit), Dezember 2010, S. 10, veröffentlicht worden

sowie in

 

 

 

Der falsche Graf

 

 

Als Magier und Spiritist

reist er von Stadt zu Stadt,

ein Scharlatan, der überall

Erfolg und Zulauf hat.

 

Der selbst ernannte Graf beschwört

die Geister durch Magie

und praktiziert die Kabbala

als auch die Alchemie.                                                                        

 

Sein Auftritt ist spektakulär,

ein Spiel mit Schein und Sein;

es fällt auf seine Geisterschau

so gut wie jeder rein.

 

Vom Geldverdienen spricht er nicht,

das zöge ihn herab,

doch seine Frau im Hintergrund                      

kassiert die Leute ab.

 

Sie glauben ihm, was er verspricht

und was er prophezeit

und sind verblüfft und fasziniert

von seiner Tätigkeit.

 

Wer leise Zweifel hat, der schweigt

und äußert sie nicht laut.

Der falsche Graf macht sich davon,

bevor man ihn durchschaut.

 

 

 

Eine ausradierte Stadt

 

Als Hitler in seiner Rede zur Eröffnung des "Winterhilfswerks" am 4. September 1940 im Hinblick auf den Luftkrieg mit England damit drohte: "... wir werden ihre Städte ausradieren!" ahnte er nicht, dass nicht die englischen sondern die deutschen Städte dieses Schicksal erleiden sollten und bei Kriegsende 1945 bis zu 80 % in Schutt und Asche liegen würden.

Nach Erscheinen des Buches "Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945" von Jörg Friedrich 2002 ist unter den Historikern das Thema "Bombenkrieg gegen Deutschland" wieder in den Blickpunkt des Interesses gerückt und kontrovers (Kriegsverbrechen ja oder nein?) diskutiert worden. Auch im SPIEGEL gab es kürzlich einen Artikel "Aus Schutt und Schuld" (Spiegel Nr. 20 vom Mai 2010) über die Zerstörung der deutschen Städte durch die alliierten Flächenbombardements und den Wiederaufbau nach dem Krieg.

Mein Gedicht "Eine ausradierte Stadt" wurde angeregt durch ein Foto der zerstörten Nürnberger Innenstadt und die oben wiedergegebene Passage aus der Hitlerrede von 1940. Es bezieht nicht Stellung in der erwähnten historischen Kontroverse, sondern blickt auf eine "zerbombte" deutsche Stadt und den Weg dorthin. Die Schuldfrage wird zwar nicht explizit gestellt, lastet aber schwer auf der "grauenvollen Szenerie" der Zerstörung, die sich über die Trümmer und Ruinen bis in die Seelen der Menschen hinein fortsetzt.

 


Zerstörter Hamburger Stadtteil um 1945 (aus: Der SPIEGEL Nr. 20 vom 17.05.2010, S. 154)
Zerstörter Hamburger Stadtteil um 1945 (aus: Der SPIEGEL Nr. 20 vom 17.05.2010, S. 154)

 

 

Die Hexenverfolgungen in Bamberg


Den Hexenjagden, Hexenprozessen und Hexenverbrennungen in Bamberg (im Folgenden mit B. bezeichnet) gingen vermutlich die größten Verfolgungen unschuldiger Menschen in Europa während des Dreißig-jährigen Krieges voraus. Die Bibel der Hexenverfolgungen, gewissermaßen ein praktisches Handbuch der Hexenjagd, war der „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum) des Dominikanerpaters und Inquisitors Heinrich Kramer (gen. Institoris) von 1486, das ca. 60 000 Menschen in Europa in den Tod schicken sollte. Das Wort „Justizirrtum“ statt „Justizmord“, das später (1642) verharmlosend für die Morde entstand, wirkt angesichts des Umfangs und der Brutalität der Verbrechen fast zynisch.

 

Etwa 75 % der auf den Scheiterhaufen verbrannten Menschen waren Frauen, 25 % Männer und Kinder. Das Alter der Delinquenten erstreckte sich von 7 bis 95 Jahre und es wurden in B. nahezu 900 Opfer in den weitgehend erhaltenen 884 Gerichtsakten in der Staatsbibliothek von B. dokumentiert. Am Schluss war fast die gesamte Führungsschicht von B. mit seinen etwa 12000 Einwohnern ausgerottet.


Die Hexenverfolgungen in B. vollzogen sich dabei in drei Wellen:


1. Verfolgungs/Prozesswelle 1616 bis 1619 (unter Fürstbischof von Aschhausen)

   Diese ersten Verfolgungen vollzogen sich in zwei Phasen. Unter den Opfern

    waren über 80 % Frauen.

2. Verfolgungs/Prozesswelle 1620 bis 1622 (unter Fürstbischof von Aschhausen)

   Mit nun insgesamt über 159 der Hexerei beschuldigten Männern und Frauen.  

3. Verfolgungs/Prozesswelle 1623 bis 1633 (unter Fürstbischof Fuchs von Dornheim).


Die Höhepunkte der Verfolgung lagen in den Jahren 1626 bis 1630 mit 630 Opfern, die von Hexenkommissaren nach Denunziation, Folter, Geständnis und Aburteilung der Opfer durchgeführt wurden. Ein eigenes Hexen- bzw. Foltergefängnis (Malefiz- oder Truden-Haus) wurde für diese Zwecke 1628 in B. errichtet. Vor der Hexenjagd blieben weder das einfache Volk noch die höheren Stände verschont. Als besondere Gnade des Fürstbischofs galt die Gewährung der Enthauptung vor der Verbrennung, die auch erkauft werden konnte. Auf dem Schwert des Henkers steht zu lesen: Ich straffe hir das Boese.


Die Kosten für die Hexenverbrennungen (die Bezahlung des Unterhalts aller Beteiligten einschließlich der Inhaftierten, die Prozesskosten, die Entlohnung der Folterknechte und des Henkers usw. bis hin zum Holz für die Scheiterhaufen) wurden aus den Ersparnissen bzw. dem Vermögen der Verfolgten bestritten. Zur Verhaftung der „Hexen“ genügten willkürliche, zum Teil abstruse Anschuldigungen (Denunziationen), zu denen von Hexenpredigern und Beamten des Hochstifts B. systematisch angestiftet wurde. Den Opfern wurde vorgeworfen, sich mit dem Teufel eingelassen und von der christlichen Kirche losgesagt und den Mitmenschen Schaden zugefügt zu haben. Erst ein Mandat des kaiserlichen Reichshofrates vom 12. Juni 1631 und schließlich die Einnahme der Stadt durch schwedische Truppen im Februar 1632 machten den Hexenprozessen in B. ein Ende. Kurz davor war Fürstbischof Fuchs von Dornheim, der Drahtzieher und Nutznießer der Verfolgungen und letzte „Hexenbrenner“ von B., mit dem Domschatz, 12 Truhen voller Gold, Pelzen und wertvollen Dokumenten geflohen. Auch alle übrigen an den Hexenprozesses Beteiligten mit Ausnahme des vom Bischof ernannten Hexenkommissars Dr. B., dem Henker und seinen Folterknechten, die hingerichtet wurden, verschwanden vorher aus der Stadt und wurden nie betraft. Es dauerte noch bis 1755 bis in Deutschland die letzte „Hexe“ hingerichtet und die Hexenprozesse eingestellt wurden..

Es hatten bis dahin 15 Beschwerdeprozesse vor dem kaiserlichen Reichshofrat in Wien wegen begangener Foltergrausamkeiten und Korruption in B. stattgefunden. Der Fürstbischof hatte sich über alle Interventionen von außen zur Rettung der Inhaftierten hinweggesetzt.


Seitdem ranken sich Legenden, Vorurteile und Geschichtsfälschungen um die Geschehnisse während der Hexenverfolgungen in B. und dem übrigen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen, die bis heute ein falsches Bild von den damaligen Vorgängen vermitteln bzw. im Allgemeinen gar nicht bekannt sind.


Nach meinen Recherchen über die Hexenverfolgungen in B. bin ich mir nicht mehr so sicher, ob unsere heutigen demokratischen Regierungsformen allein ausreichen werden, um uns vor einem neuerlichen Rückfall in die Barbarei zu schützen, wo doch offenbar die Veranlagung bzw. Anfälligkeit dazu in jedem einzelnen von uns latent vorhanden ist wie die Ergebnisse der Täterforschung der NS-Historiker zeigen. Außerdem spricht unsere lange Geschichte der Unmenschlichkeiten mit ihren vielen düsteren Höhepunkten nicht gerade dafür, dass es uns gelingt, den Teufelskreis aus Angst, Fanatismus und Gewalt zu durchbrechen.


Literatur:

Behringer, W. (Hrsg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. Deutscher Taschenbuch Verlag Nr. 30781, München 1988. Gehm, B.: Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrats zu ihrer Beendigung. Hildesheim 2000. Durschmied, E.: Hexen, Tod und Teufelswerk. Hexenverfolgung im Lauf der Jahrhunderte. Bastei Lübbe Taschenbuch Nr. 60536, Bergisch Gladbach 2003. Behringer, W.: Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung. Verlag C.H. Beck, München 2009. Reihe Wissen Nr.  2082. Weigand, S.: Die Seelen im Feuer. Historischer Roman. Fischer Taschenbuchverlag Nr. 17164, Frankfurt am Main 2010.

 


Der Hexenbischof

 

 

Zu Pulver und Asche verbrennet

der Bischof in Würzburg am Main

die Hexen, nachdem sie gestanden,

im Bund mit dem Teufel zu sein.

 

Sie haben dem Satan gedienet,

aus Schwäche und fleischlicher Lust,

viel Übel und Schaden gezaubert,

viel Elend bereitet und Frust.

 

Dafür hat der Bischof die Hexen

im Auftrag der Inquisition

lebendig ins Feuer geschicket

nach Urteil und Absolution.              

 

Er ließ sie befragen und foltern,

das hielten nur wenige aus;

sie mussten die Buhlschaft bekennen,

denn darauf lief alles hinaus.

 

Jetzt ist durch den Bischof vertrieben,

das Böse aus unserer Stadt,

im Namen der Heiligen Kirche,

die solches befürwortet hat.

 

Doch fragt man sich wegen der Hexen

und schreibt es in Büchern sogar,

ob alles, was ihnen geschehen,

auch richtig und rechtmäßig war.

 

 

Die Hexenverfolgungen im Hochstift Würzburg unter Fürstbischof,

Philipp Adolf von Ehrenberg (1623 bis 1631), dem „Hexenbischof“,

waren mit 900 Hinrichtungen im ganzen Hlg. Römischen Reich

Deutscher Nationen berüchtigt und gefürchtet.