Wolf Biermann in Concert
Wolf Biermann in Concert

Die REIMSCHMIEDE ist eine Webseite, die sich vorrangig mit Lyrik befasst. Unter Lyrik wird hier kunstvoll verdichtete Sprache in vollendeter Form verstanden. Der Begriff "Lyrik" leitet sich von griechisch "lyrikos" (= zum Spiel der Lyra gehörend, mit Lyrabegleitung) ab, dem im 8. - 5. Jahrhundert v. Chr. bedeutendsten Musikinstru- ment (und Symbol für göttliche Harmonie) und verweist so auf den Ursprung der Dichtkunst als ein zur Lyrabegleitung vorgetragener Gesang und Tanz. Wort und Ton waren demnach im lyrischen Gesang eine Einheit, die als Kunstform (und Motiv) über den Minnesang bis in die Romantik (Universalpoesie) hinein nachgewirkt hat. In der englischen Sprache hat sich für Liedtexte (Songtexte) die Bezeichung "lyrics" erhalten.

Die Liedermacher (griech. melopoioi) von heute, wie etwa Wolf Biermann (Abbildung) u.a., die ihre Lieder selber schreiben, verto- nen und vortragen, setzen auf ihre Weise die antiken Traditionen mit der Gitarre fort. 


Emil Jacobsen und seine "Reimschmiede"

  Die Entscheidung, meine Homepage REIMSCHMIEDE zu nennen, geht auf den deutschen Chemiker Emil Jacobsen (1836 - 1911) zurück (Abbildung), der neben seiner Tätigkeit bei der Schering AG in Berlin als wissenschaft- licher Beirat, Aufsichtsratsmitglied und Erfinder mit eigenem (privaten) Laboratorium eine Vielzahl von Liebhabereien pflegte, worunter sich seit seiner Studienzeit auch das Reimen befand. So gründete er Anfang der 1880er Jahre den "Allgemeinen Deutschen Reimverein" (ADR), dessen Vorsitzender er war und der bis etwa 1902 bestand. Die Vereinszeitschrift nannte sich "Die Aeolsharfe" und er als Herausgeber mit Pseudonym "Hunold Müller von der Havel". Die Vereinsmitglieder parodierten und karikierten darin mit den Mitteln von Satire und Spott den Dilettantismus auf allen Gebieten der Kunst. Seine Tegeler Villa taufte er später die "Reimschmiede". Das Gebäude wurde 1975 abgerissen. Am 26. Februar 1911 erschien von Ludwig Pietsch ein Nachruf über Emil Jacobsen in der Vossischen Zeitung, worin er ihn als "einen der mannigfach begabtesten und originellsten Zugehörigen zum "Geistigen Berlin" bezeichnete. "Mit seinem hochgelehrten naturwissenschaftlichen Wissen verband sich bei ihm die leidenschaftliche Liebe zu geschichtlichen, speziell zum kultur-, kunst- und literaturgeschichtlichen Studium, durch das er sich eine ganz ungewöhnlich gründliche Bildung auch auf diesen Gebieten erworben hatte. Und zu alledem war ihm in Fülle die Gabe des glücklichsten Humors geschenkt - eines Humors, der sich nicht nur immer wieder in köstlichen Gelegenheitsdichtungen - besonders anläßlich von Künstler- und Berufsgenossenfesten - glänzend zur Freude aller Teilnehmer, sondern auch praktisch und werktätig während langer Perioden in seiner ganzen Lebensführung und Gestaltung offenbarte". Sein Grab befindet sich auf dem St.-Johanni-Kirchhof II an der Seestraße 126 im Wedding.

 

Mit Emil Jacobsen teile ich nicht nur den Beruf, sondern auch seinen Humor, seine literarische Neigung und seine Vorliebe, gereimte Verse zu schreiben ohne sich deshalb gleich für einen Dichter zu halten.

 

Schriften von und über Emil Jacobsen wurden von der Bibliothek der Freien Universität Berlin in einer Bibliographie zusammengestellt.

Die "Reimschmiede-Kunst" von 1743

Titelblatt der Abhandlung über "Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst" von    J.E. Philippi, Altenburg 1743.
Titelblatt der Abhandlung über "Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst" von J.E. Philippi, Altenburg 1743.

  Das Wort "Reimschmiede" ist natürlich älter und kommt z.B. 1743 im Titel eines Buches vor, dass von Johann Ernst Philippi, Doktor der Philosophie und der Jurisprudenz, verfasst und auf seine eigenen Kosten in Altenburg gedruckt wurde (Abbildung).

Darin stellt der Autor, Anhänger der "kriechenden Posie", der edlen "Reimschmiede-Kunst ... in Form einer Wissenschaft nach mathematischer Lehr-Art", die Vorzüge dieser Lehre gegenüber "... der sogenannten natürlichen, männlichen und erhabenen Dichterey" dar, wonach die "Reimschmiede-Kunst" eine "hochnöthige Wiederaufhelfung" erfahren sollte, weil sie von einem "kläglichen Verfall" betroffen sei.

Philippi galt schon zu Lebzeiten als "wissenschaft- licher Scharlatan" und "Vertreter einer hohlen Scheingelehrsamkeit" und wurde als "das natürliche Oberhaupt der Gesellschaft der kleinen Geister" oder als "Zierde und Krone der elenden Scribenten" verspottet (Chr. L. Liscow). Aus Göttingen, wo er ab August 1734 sein Glück versuchte, wurde er im Frühjahr 1735 wieder ausgewiesen und ist 1740 in der Irrenanstalt Waldheim nachweisbar. Seine zahllosen Schriften haben bis heute mit Recht keine wissenschaftliche Beachtung oder Anerkennung gefunden und werden als "Ausgeburten eines völlig zerrütteten Geistes" angesehen wie man unter dem obigen Link zu Philippis Lebensgeschichte nachlesen kann.

 

Jetzt aber zu Herkunft und Gebrauch des Wortes "Reimschmiede" in der deutschen Schriftsprache, soweit man das zurückverfolgen kann. Wird fortgesetzt!

Reimschmiede: Geschichte eines Wortes

In dem "Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm" heißt es nach Lichtenberg (3, 91) in Band 14 auf Seite 67unter dem Stichwort Reimschmied. "... so nennen wir einen kleinen Poeten einen Reimschmied".  Das hier zitierte Wörterbuch von 1854 (Erstausgabe) wurde 1984 vom Deutschen Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, in 33 Bänden nachgedruckt.

 

 

"Wo fängt die Kunst an, und wo hört die Unterhaltung auf? Die hohe Lyrik ist natürlich eine besondere Berufung, erst recht im Deutschen. Alles andere ist ja Schriftstellerei. Von der Intuition und vom Dämon abhängig. Wir Versemacher und Reimschmiede dagegen, wir probieren herum, und gelegentlich glückt uns auch was."

 

(F.W. Bernstein in einem Interview des Hamburger Abendblattes vom 27. Januar 2005)