Hansestadt Einbeck

Eine Ortsbeschreibung

 

Die urkundlich belegten Anfänge von Einbeck reichen bis ins 11. Jahrhundert zurück. Die Stadt lag am Schnittpunkt alter Verkehrs- und Handelswege. Ihre wirtschaftliche Blütezeit (der Reichtum kam aus dem überregionalen Bierhandel) erlebte sie als weitgehend unabhängige Hanse-stadt mit eigener Gerichts- und Münzstätte im 15. Jahrhundert. Aus den Jahren nach 1540 und 1549, als die Stadt durch zwei Brände nahezu vollstän-dig zerstört wurde, stammen die meisten heute noch erhaltenen Bürger- und Patrizierhäuser. Einbeck fehlt in keinem Bericht über die Kunst des Bier-brauens und über mittelalterliche Fachwerkbauten. Unter den Sehens-würdigkeiten nehmen allen voran das Rathaus mit seinen drei schiefer-gedeckten in Spitztürme auslaufenden Vorbauten, das über Einbeck hinaus bekannte Eicke‘sche Haus, eines der schönsten und mit Zierschnitzereien reich versehenen Fachwerkhäuser Niedersachsens, die nahezu geschlossenen Häuserzeilen an der Nordseite der Tiedexer Straße und an der Westseite der Marktstraße sowie einige andere über die ganze Stadt verteilte im spätgotischen Stil errichteten Häuser eine Sonderstellung ein.

 

Einbeck, die historische Bier- und Fachwerkstadt an der Ilme, einem Nebenfluss der Leine, ist heute eine Kleinstadt mit knapp 30 000 Einwoh-nern (um 1500 waren es ca. 7000, 1935 zur Nazizeit etwa 10 000) zwischen Harz und Solling am Rande des Leinegrabens gelegen. Ein Ort, in dem ein Weg durch die Innenstadt weniger als eine Stunde dauert, sodass man manchen Leuten mehrmals am Tag begegnet.

 

Die ehemals mit Wehrtürmen, Bollwerken, Bastionen und Toren befestigte Stadtmauer, die in Resten erhalten ist, ist jetzt ein Promenadenwall, der die enge Altstadt, aus der die Kirchtürme der beiden ältesten Kirchen St. Alexandri (Münsterkirche) und St. Jacobi (Marktkirche) hervoragen, umgibt. Die beiden Gotteshäuser stehen keine 250 Meter voneinander entfernt. Und das ist nicht viel weniger als der halbe Nord-Süd-Durchmesser der Altstadt.

 

Einbeck hat als traditionelle Bierstadt eine besondere Form des Fachwerk-baus entwickelt. Die meisten alten Häuser weisen mit Linien, Bändern und Schnüren bunt verzierte rundbogige, hohe Toreinfahrten auf, durch die die Bürger mit Braurechten (1616 hatten die Brauberechtigung rund 700 Familien!) die von der Stadt ausgeliehene kupferne Braupfanne mit einem Fassungsvermögen von 2300 Litern in die dahinter liegende geräumige Braudiele fuhren, um dort das begehrte „ainpöckisch bier“ auf Anweisung und unter Mithilfe eines städtischen Braumeisters zu brauen. Die lokalen Braumethoden wurden als Geheimnis gehütet, worüber der Rat als Kontroll-instanz wachte.

Viele dieser Fachwerkhäuser weisen eine charakteristische dreigeschossige Gliederung in Bierkeller, Dielentor mit Braudiele (im Untergeschoss), Schlafräume (im niedrigen Zwischengeschoss) und Wohnräume (im vorkragenden Obergeschoss) auf. Den Abschluss bildet ein hohes, steiles Dach unter dem die Braurohstoffe Getreide (Gerste und Weizen), Braumalz und Hopfen auf mehreren übereinander liegenden Trockenböden lagerten und durch mehrstöckige Luftgauben belüftet wurden. Die Häuser stehen meist mit ihrer Traufenseite zur Straße hin und sind ohne Brandmauer dicht aneinandergereiht. Sie besitzen auf ihren Schwellen, Ständern, Riegeln und Knaggen bunte Ornamente, Sprüche, Köpfe und ganze Figuren und in ihre Vorkragungen eingelassen sind so genannte „Utluchten“, üppig verzierte Erker mit Aussicht nach allen Seiten, die aus den prächtigen Fassaden der Häuser zu den Gassen und Plätzen hin hervortreten. Bei den typischen Einbecker Zier- und Schmuckformen handelt es sich vor allem um Fächerrosetten, aber auch Schiffskehlen, Taubändern und Perlschnüren, figürliche Schnitzereien Masken usw., die auf den Ständern, Schwellen, Balkenköpfen und Winkelhölzern einzeln oder als Friese angebracht wurden.

 

Die komplizierte, auf eine ausbalancierte Statik hin aufgebaute mittelalterliche Fachwerkarchitektur mit ihren kunstvollen Ornamenten, Verzierungen und sonstigen Ausschmückungen der Häuserfronten prägt das Stadtbild von Einbeck und vermittelt eine Atmosphäre der Geborgenheit, Vertrautheit und Beständigkeit, die viele auswärtige Besucher in die Stadt zieht.

 

Insbesondere zur Weihnachtszeit wird diese anheimelnde Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt spürbar, wenn auf dem kleinen Markplatz im Zentrum der Stadt umgeben von Rathaus, Ratsapotheke, Brodhaus, dem einzigen von 10 erhaltenen Gildehäusern, Eulenspiegelbrunnen und der Marktkirche im Schein von Kerzen und Laternen, die Menschen bei Punsch, Knackwürsten und Einbecker Bockbier beieinander stehen und sich wie in den Jahrhunderten zuvor zwanglos in das nahezu lückenlose spätmittel-alterliche Ambiente einfügen.

 

In Einbeck ist die mittelalterliche Vergangenheit allgegenwärtig, reicht täglich in die Gegenwart hinein und prägt das Leben der Menschen, ohne dass es ihnen immer bewusst wird.

 

Altes Rathaus am Marktplatz in Einbeck (2013)

Blick in den herbstlichen Park der Jugendstilvilla der Familie Stukenbrok in Einbeck

Hausfassade an der Löwenkreuzung in Einbeck

Blick auf den herbstlichen Krähenwall in Höhe des Hullerschen Tors in Einbeck