Die Deutsche Romantik

 

Die deutsche Romantik ist weder als kulturgeschichtliche Epoche noch ihrem Wesen nach (als Begriff) eindeutig zu definieren. Ihre Grenzen sind fließend auch gegenüber der vorausgegangenen Aufklärung und dem nachfolgenden Realismus. Trotzdem ist es hilfreich, eine chronologische  Einteilung vorzunehmen, um unterschiedliche Strömungen in der Bewegung zu charakterisieren und zeitlich einzuordnen.  Die Romantik in Deutschland (1796 - 1830) wird daher üblicherweise in 3 Phasen eingeteilt, und zwar in die

 

- Frühromantik         (1796 - 1806), die

- Jüngere Romantik  (1806 - 1815)  und die

- Spätromantik          (1815 - 1830).

 

Die deutsche Romantik hat ihren unvergleichlichen Ausdruck in der Lyrik, im Lied gefunden, das durch die romantische Musik in die ganze Welt getragen wurde.

An einem Gedicht von J. v. Eichendorff (1788 -1857) aus dem Jahre 1837 lassen sich verschiedene Wesenszüge der Romantik aufzeigen:

"In allen Dingen" unserer Welt, dichtet Eichendorff, "schläft ein Lied" (das sind Worte, und Töne, Poesie und Musik, Erlebnisbereiche, die über unsere rationale Erkenntnis hinausgehen), das uns den tieferen Sinn dieser Welt erschließt (sie "hebt an zu singen, d.h. sie teilt sich uns mit, wir können in einen Verloren gegangenen Dialog mit ihr wieder eintreten), wenn wir "nur" den Schlüssel, "das Zauberwort", treffen, mit dem wir die Einheit zwischen den äußeren Dingen, unserer inneren Empfindung und dem Ganzen wieder erleben.

Die "Wünschelrute", die uns das "Zauberwort" zur Erschließung einer höheren Wirklichkeit finden lässt, kommt aus einem neuen Lebensgefühl, das die Romantiker in der Einheit der rationalen und irrationalen Kräfte auf höherer geistiger Ebene, in der Einheit von Mensch (mit seinem Gefühl, seiner Phantasie und Vernunft), Mitwelt (die unbelebte und belebte Natur) und Schöpfung (oft als göttlichen Ursprungs verstanden) und in der Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft anstrebten und in der Kunst zum Ausdruck brachten. Ihre ersehnte höhere Wirklichkeit, die aus dem Erahnte, Erfühlten, Traumhaften und Visionären aufsteigt, ist jener Bereich, von dem nach Hamlets Worten "unsere Schulweisheit nichts träumen lässt" - die Unendlichkeit, die göttliche Offenbarung.

Die große Sehnsucht der Romantik nach Einheit mit Gott und Natur ist in Eichendorffs Lyrik Gestalt geworden. "Wer etwas Unendliches will, weiß nicht, was er will. Aber umkehren lässt sich der Satz nicht". Mit diesem Ausspruch von A.W. Schlegel (1767 - 1845) ist aber auch der offene Ausgang des romantischen Unendlichkeitsstrebens treffend umschrieben, "die wahren Weltgeschichten" zu erkennen, wie es Novalis (1772 - 1801) in einem Gedicht ausdrückt. Seine "blaue Blume" als Symbol der höheren Wirklichkeit, jenes Reichunendlicher poetischer Freiheit ist unauffindbar: die Suche danach für die Romantiker ohne Alternative.

 

Frühromantik (1796 - 1806)

 

In der Frühromantik, auch Jenaer Romantik genannt, wirken sich die Lehren des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814) auf einen Kreis junger Intellektueller aus. Sie waren bemüht, sich von der einseitigen rationalen Betrachtungsweise der Aufklärung zu befreien, um zu einer neuen universalen Welt-, Wissenschafts- und Kunstanschauung zu kommen (romantischer Universalismus), in der sich die Kräfte des Gefühls mit denen des Verstandes (Phantasie und Vernunft) und schließlich das Endliche mit dem Unendlichen verbinden (Ganzheitsideal).

In der Zeit der Frühromantik wurden die Grundlagen des romantischen Welt- Kunstverständnisses gelegt. Vor allem Friedrich Schlegel (1772 - 1829) legt in seiner programmatischen Zeitschrift "Athenäum" die Grundauffassung der frühromantischen Lebens-, Kunst- und Geschichtsauffassung dar. Sein älterer Bruder, der spätere Shakespeare-Übersetzer August Wilhelm, war mit Karoline Michaelis (Tochter eines Göttinger Orientalisten), eine der geistreichsten Frauen jener Zeit, verheiratet. In ihrem Haus in Jena kam die junge romantische Bewegung, die zuvor Ludwig Tieck (1773 - 1853) und Wilhelm Wackenroder (1773 - 1798) eingeleitet worden war, zur vollen Entfaltung. Tieck, der als Haupt der Frühromantik galt, verband aufklärerische Rationalität mit einer lebhaften Phantasie. In Wackenroders "Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" (1797) und seinen "Phantasien über die Kunst" (1798), die von Tieck herausgegeben wurden, sind das romantische Lebensgefühl und die religiös begründete Kunstauffassung schon rein ausgeprägt. Die entscheidenden Eindrücke hatten die beiden Freunde bei ihrer Wanderung durch die mittelalterlichen Städte Frankens (vor allem in Bamberg und Nürnberg) empfangen.

Zum Jenaer Kreis gehörte auch Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis (1772 - 1801). Novalis ist beherrscht von dem Glauben, dass die Ahnungs- und Glaubenskraft des Dichters das lebendige Geheimnis  der Natur erschließen kann und in die von Gottes Geist erfüllte Tiefe des Weltalls schauen und so das Endliche mit dem Unendlichen vereinen kann.

Der Jenaer Kreis blieb nicht lange zusammen. Die romantische Bewegung setzte sich jedoch in Heidelberg, Dresden und Berlin fort. Hier kam es zur Blütezeit, zur Hochromantik oder jüngeren Romantik.

 

Jüngere Romantik (1806 - 1815)

 

Das eigentliche Zentrum der Jüngeren Romantik war Heidelberg ("Heidelberger Romantik"). Clemens Brentano (1774 -1842) und Achim von Arnim (1782 - 1831), die von 1805 bis 1808 die Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" herausgaben, prägten diesen Kreis. Die Wirkung ihrer schlichten, volkstümlichen Lieder war ungeheuer und selbst Goethe, der den Romantikern zurückhaltend gegenüber stand, war davon begeistert. Die Heidelberger Romantiker hatten sich vor allem eine Neubelebung der deutschen Geschichte zum Ziel gesetzt. Hierbei haben u.a. die Gebrüder Grimm (1814 - 1824) mit ihren "Kinder- und Hausmärchen" einen wesentlichen Anteil.

Auch der Heidelberger Kreis löste sich schnell wieder auf (1809).

In der Folgezeit kommt, durch die Abneigung gegen Napoleon, erstmals auch ein politischer Zug in die romantische Bewegung.

1811 heirateten in Berlin Achim von Arnim und Bettina Brentano (1785 - 1895), die Schwester seines Freundes Clemens Brentano, eine der bedeutendsten Frauengestalten der Jüngeren Romantik.

Hauptvertreter der "Berliner Romantik" wurde jedoch E.T.A. Hoffmann (1776 - 1822), der als Schriftsteller und Musiker hervortrat. Durch ihn kamen Elemente des Grauenhaften und Unheimlichen, aber auch der Ironie und Heiterkeit in die Romantik ("Gespenster Hoffmann"). Mit seinen Werken, die bald in zahlreichen Übersetzungen erschienen, hat es der deutschen Romantik über die Grenzen Deutschlands hinaus Weltgeltung verschafft.

Neben Hoffmann war Friedrich Schleiermacher (1786 - 1834) einer der führenden Köpfe der Jüngeren Romantik. Es verstand Religion als Sinn für das Unendliche, als Anschauung des Universums, dem die menschliche Individualität gegenübersteht. Schleiermacher wollte der Religion eine zentrale Stellung in einer erneuerten Bildung verschaffen. Durch ihn fand die romantische Weltsicht Eingang in die Theologie.

Die Jüngere Romantik hat die Begeisterung für die deutsche Vergangenheit und das nationale Selbstbewusstsein der Deutschen wachgerufen. Man glaubte fest an die Wiederherstellung des geeinten Vaterlandes, wofür besonders Ernst Moritz Arndt (1769 - 1860) öffentlich mit allen persönlichen Konsequenzen eintrat.

Die Ideen von Freiheit und Deutscher Einheit wurde von den Romantikern zuerst gedacht und vorbereitet und in den Befreiungskriegen zur tragenden Ideologie im Aufstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft.

 

Spätromantik (1815 - 1830)

 

In der dritten und letzten Phase der Romantik ist es vor allem A.W. Schlegel, der zur Verbreitung romantischen Gedankengutes in Europa von Wien aus beiträgt. Sein Hauptverdienst liegt auf dem Gebiet der Übersetzung fremder Literaturen, d.h. in der Erschließung der Weltliteratur (Schlegel-Tieck'sche Shakespeareübersetzung, besser Nachdichtung), sowie in der Begründung der modernen Literaturgeschichte und Kritik, weniger in der Dichtung. Hier ist es Joseph von Eichendorff (1788 - 1857), mit dessen Namen bzw. mit seinen Gedichten und Schriften der Begriff der Romantik verbunden ist wie mit kaum einem zweiten. Was seine Lyrik noch heute so volkstümlich macht, ist ihre schlichte Wahrheit, ihre Innigkeit und Frömmigkeit und sein tiefes Naturerleben (Dichter des deutschen Waldes). Seine Werke sind erfüllt vom Zauber romantischer Sehnsucht und Gefühlen, wohl wissend, dass Phantasie und Träume die menschliche Seele in Verwirrung und Chaos stürzen können. Es weiß das Unendliche im Endlichen zu finden, sodass aus Trauer und Wehmut noch Zuversicht und Hoffnung hervorgehen. Eichendorff ist voll von romantischem Seelentum, begrenzt und überwindet er aber auch zugleich und steht damit am Ende der Romantik, als ihr vielleicht typischer Vertreter.

Die romantische Bewegung breitet sich von einzelnen Zentren über ganz Deutschland aus und wird schließlich zur allgemeinen europäischen Bewegung. Es geling ihr wegen der Fülle der Stoffe und Ideen letztendlich nicht, die ursprünglich angestrebte Vereinigung aller Lebens- und Wissenschaftsbereiche herbeizuführen. Die für unsere Zeit so charakteristische Spezialisierung auf engste Fachbereiche war nicht aufzuhalten.

 

Die Romantik als "Welterschaffung aus dem Geist der Poesie" (F. Schlegel) ist mit ihrer einmaligen Nähe zur Natur ein Erbe, dem wir uns allem Anschein nach nicht mehr verpflichtet fühlen. Unser gegenwärtiges Verhältnis zur Natur unsrer Mitwelt, ist weiterhin geprägt von einer überheblichen Distanz und einer kurzsichtigen Ausbeutung und Vernichtung ihrer Schätze. Der so dringend nötigen seelisch-geistigen Erneuerung unserer von Wissenschaft und Technik beherrschten Zeit mit den von uns meist selbst geschaffenen lebensbedrohenden Umwelt(Natur)Problemen muss ein "Frieden mit der Natur" vorausgehen, den uns die Romantiker vorgelebt und in Kunst und Literatur als Vermächtnis hinterlassen haben.

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Literatur:

Schulz, G.: Romantik. Geschichte und Begriff. Beck'sche Reihe Wissen Nr.2053.C.H. Beck Verlag (München 1996). GEO Epoche. Die Deutsche Romantik Heft 37 (Hamburg 2009)

Safranski, R.: Romantik. Eine deutsche Affäre. Fischer TB 18230 (Frankfurt 2009)