Ankunft in Skirotava
Wir waren drei Tage lang auf der Bahn
und wurden von Köln deportiert.
Was wir dann erlebten, hörten und sahn,
ist uns Juden in Riga passiert.
Es war eine Reise in den Tod,
doch keiner von uns kam dahinter.
Wir hatten kein Wasser und auch kein Brot
und es war bereits mitten im Winter.
In Skirotava hielt der Zug,
ein Bahnhof im Süden der Stadt.
Vom Reisen hatten wir mehr als genug
und wir waren das Warten satt.
Dann riss die SS die Türen auf
und holte uns aus dem Coupé.
Wir stellten uns neben den Gleisen auf
bei eisiger Kälte und Schnee.
Das schwere Gepäck ließen wir stehn,
sie sagten, es würde gebracht.
Ins Rigaer Ghetto sollten wir gehn
in dieser entsetzlichen Nacht.
Der Abmarsch zog sich und kostete Zeit;
wir standen und wahrten Haltung.
Für Kranke und Schwache hielt man bereit
drei Busse der Ghetto-Verwaltung.
Wir mussten in Viererreihen marschiern
nach Riga, die acht Kilometer
und viele sollten ihr Leben verliern
durch die Deutschen und andere Täter.
Die hatten noch in derselben Nacht,
die Alten, die Kranken und Kinder,
in den Wald gefahren und umgebracht:
die SS, ihre Schergen und Schinder.
Die meisten Überlebenden des Rigaer Ghettos berichteten
nach dem Krieg in ähnlicher Weise über die Ereignisse bei
ihrer Ankunft in Skirotava, dem unbekannten Ziel ihrer Reise.
Kommandant Krause
Im Ghetto von Riga lauert der Tod.
Er schont weder Jung noch Alt.
Die Juden leben in ständiger Not
und in Angst vor Krauses Gewalt.
Sie sterben frühmorgens, wenn es tagt,
bei der Arbeit und dort, wo sie wohnen.
Sie sterben auf Krauses Menschenjagd
und im Ghetto bei Selektionen.
Oft steht er, der „Menschenfresser“, am Tor,
bis er sich ein Opfer erspäht
und geht gegen kleinste Vergehen vor
mit äußerster Brutalität.
Dann, eines Tages, will Krause allein
das lettische Ghetto sondieren.
Der Posten, ein Trinker, lässt ihn nicht rein,
er soll sich erst legitimieren!
Da droht er dem Mann - es wird ihm zu bunt -
und er schlägt ihn und schreit ohne Pause:
„Das wirst du mir büßen, du Schweinehund.
Ich bin Obersturmführer Krause!“
Der torkelnde Posten legt auf ihn an,
auf Krause, den Wutentbrannten.
Ein deutscher Jude entwaffnet den Mann
und rettet den Kommandanten.
So folgenlos seine Tat auch war,
er half einem Menschen in Not!
Kurt Krause blieb eine große Gefahr
als Herr über Leben und Tod.
Der gelbe Stern
Wir standen kurz vor dem Abitur,
auf den Straßen wurde marschiert.
Ein Hitlerbild hing in der Schule im Flur
von Hakenkreuzfahnen flankiert.
In unserer Klasse gab es jetzt
von zwanzig Primanern noch zehn.
Die anderen wurden zur Flak versetzt,
um dort ihren Mann zu stehn.
Da kommt eines Morgens, selbstbewusst,
Hans Kessler zur Klasse herein
und trägt einen Judenstern auf der Brust,
ohne selber ein Jude zu sein!
Die ganze Klasse ist irritiert
und sichtlich geschockt und empört:
Er hat unsern Führer kompromittiert
und die Gemeinschaft gestört!
Hans Kessler, mit Judenstern aus Papier,
steht da wie ein aufrechter Mann.
Der Lehrer ist sprachlos und rennt zur Tür
und holt den Direktor heran.
Der kommt und schreit: „Was fällt dir ein,
mit den Juden zu sympathisieren
Sie sind unser Unglück und ganz allein
schuld an dem Krieg, den wir führen.
Dann lassen sie Kessler nach Hause gehn.
Direktor und Lehrer tagen.
Man wird ihn als Querkopf und Spinner ansehn
und von der Schule verjagen.