Der bewaldete Tag
Gedichte aus: Der bewaldete Tag, 2012, S. 105 - 110
Der Tag an dem ich sterben werde
Der Tag, an dem ich einmal sterben werde,
soll mir am liebsten so willkommen sein:
ein schnelles Ende ohne Angst und Schrecken,
im Freien und bei einer Flasche Wein.
An jenem letzten Tag in meinem Leben
bin ich im Garten, wenn der Tod sich naht.
Er tut mir nichts und stellt mir keine Fragen,
was er bei andern Menschen auch nicht tat.
Wir sind uns früher selten nur begegnet
und kennen uns infolgedessen kaum.
Jetzt ist er plötzlich da, um mich zu holen
und langsam mischen Leben sich und Traum.
Bevor ich meinen Platz für immer räume,
beginne ich noch ein Gespräch mit ihm
und siehe da, wir haben viel zu reden
und sind schon bald ein eingespieltes Team.
Vom lieben Gott spricht keiner von uns beiden,
der ließ sich jedenfalls bei mir nicht sehn.
Ich werde wohl den Weg von dieser Erde
allein und ohne seine Hilfe gehn.
Wir reden lange noch wie gute Freunde
und stoßen an und trinken von dem Wein.
Dann werde ich auf einmal schrecklich müde
und schlafe sanft und auf der Stelle ein.
Wer wünscht sich nicht wie ich ein solches Ende?
Die Wirklichkeit sieht leider anders aus:
Wir haben Angst und leiden große Schmerzen
und viele sterben an gebrochenen Herzen
und unsre Seelen finden nicht nach Haus.