Letzter Gang
Gedicht aus: Letzter Gang, 2008, S. 166
Eine ganz normale Stadt
Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus (Holocaust-Gedenktag 2008).
In dieser alten Hansestadt,
die viele Fachwerkhäuser hat,
ist seit dem Mittelalter schon
das Braugewerbe Tradition.
Hier lebt man, abseits von der Welt,
als kleiner Mann mit wenig Geld;
dann, eines Tages über Nacht,
kommt Adolf Hitler an die Macht.
Da hebt man seine rechte Hand
und hängt »den Führer« an die Wand,
erklärt die Juden mit Geschrei
für unerwünscht und vogelfrei,
steckt ihre Synagoge an
und schadet ihnen, wo man kann,
vertreibt die ganze »Judenbrut«
und »arisiert« ihr Hab und Gut
und hetzt, beschimpft und schikaniert,
bis man sie schließlich deportiert ...
und schutzlos geht in ihrer Not
die letzte Jüdin in den Tod.
In diesem, ihrem Heimatort,
spricht man danach kein Sterbenswort
mehr von dem mörderischen Tun
und lässt den Fall auf sich beruhn,
verdrängt die ganze Nazizeit
samt jüdischer Vergangenheit
und will das schreckliche Geschehn
vergessen und nach vorne sehn.
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Den 68 jüdischen Mitbürgern gewidmet, die zwischen
1933 und 1944 unter dem Druck der nationalsozialistischen
Gesetzgebung, der Bevölkerung, des Bürgermeisters als
Chef der Ortspolizeibehörde und der Gestapo ihre
Heimatstadt verlassen mussten, emigrierten, deportiert
wurden oder sich vorher das Leben nahmen.